"The Cost of Admission"
- Patrick Hunkeler
- 6. Mai
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 4 Tagen
Ein Blick hinter die Fassade
Instagram ist voll von Bestzeiten, Highlight-Reels mit Schnipseln aus intensiven Workouts, motivierenden Zitaten und Trainingsdaten in bunten Farben und cineastischen Auftritten. Alles sieht schnell, cool und irgendwie machbar aus. Fortschritt scheint greifbar und nur eine Armlänge entfernt – solange man nur hart genug dafür arbeiten will.
Doch wer wirklich länger dabei ist, merkt: Das ist nicht die Realität. Zumindest nicht die Ganze.
Ausdauersport ist nicht gleich Ausdauersport. Es gibt zwei Wege, diesen Sport zu erleben: Der eine führt über den Spaß an der Bewegung, der andere über den Leistungsdruck. Beide sind wertvoll, doch der Unterschied ist entscheidend. Der Spaßweg konzentriert sich auf das Wohlbefinden, die Freude an der Aktivität und das stetige persönliche Wachstum. Der Leistungsweg hingegen erfordert Disziplin, Struktur und oft auch etwas Verzicht. Beide Ansätze haben ihren Platz – und doch sind sie grundverschieden in ihrer Ausrichtung.
Der „wahre“ Eintrittspreis, den man für den Ausdauersport bezahlt, liegt irgendwo zwischen diesen beiden Welten. Denn auch wer nur für sich selbst läuft oder radelt, zahlt mit Zeit, Energie und Hinwendung – auch wenn es nicht immer in Bestzeiten gemessen wird.
Den Eintrittspreis für den Ausdauersport habe ich schon früh bezahlt. Damals war ich fasziniert vom Mythos Hawaii – den gestählten Körpern am Ali’i Drive, der scheinbar mühelosen Stärke, mit der sich diese Athleten am Tag X durchkämpfen. Doch ich musste schnell lernen: Der Weg dorthin ist deutlich härter, als es auf Bildern und in Dokus aussieht.
Es waren unzählige Trainingsstunden im kalten Winter, bei Nieselregen und Schneegestöber, oft allein, oft müde. Eine Szene hat sich mir besonders eingebrannt: Eine Intervalleinheit auf dem Rad, an einem Frühlingsnachmittag, der eigentlich perfekt begann. Doch nach einer Stunde kippte das Wetter – der Himmel zog zu, es goss wie aus Kübeln, dann kam Hagel. Ich war komplett durchnässt, fror und kämpfte mich zurück nach Hause. Dort saß ich schließlich völlig entkräftet, durchnässt und innerlich leer auf der Eingangstreppe – mit Tränen in den Augen. Nicht wegen der Einheit selbst, sondern wegen der Wochen und Monate davor. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass ich dieses große Ziel vielleicht nie erreichen würde.
Ausdauersport ist kein leichter Weg.
Er fordert viel – Zeit, Energie, Hingabe. Und er gibt viel zurück – aber nicht immer sofort, nicht immer direkt sichtbar. Für mich ist er mehr als Bewegung: Er ist ein ehrlicher Spiegel für Disziplin, Zweifel, Selbstverantwortung und Entwicklung (physisch, wie auch mental).
Natürlich kann man ähnliche Erfahrungen auch in jeder anderen Sportart machen – jeder Weg hat seine eigene Höhen und Tiefe. Doch wer sich auf den Ausdauersport einlässt, entdeckt oft, dass Fortschritt hier nicht erkauft wird, sondern verdient. Dass es keine Abkürzungen gibt. Und dass genau das der Reiz ist.
1. Routine schlägt Hype
Fortschritt kommt nicht durch ständig neue Reize, sondern durch Wiederholung. Woche für Woche ähnliche Einheiten, ein klarer Trainingsfokus, Basics. Das wirkt nicht spektakulär – aber es funktioniert.
Niemand postet seinen fünften identischen Grundlagenlauf mit 4:45er-Pace oder das siebte Mal Schwellenintervalle auf der Rolle. Aber genau hier entsteht die Form, auf der später alles aufbaut. Wer sich langweilt, hat vielleicht gerade das erreicht, was wirklich zählt: Struktur.
2. Kein Fortschritt ohne Alltagshygiene
Schlaf, Ernährung, Zeitmanagement – alles wird zur Stellschraube. Wer wirklich trainieren will, muss oft auf Dinge verzichten, die andere selbstverständlich finden: spontane Treffen, Netflix bis Mitternacht, oder „nur ein Glas Wein“.
Die wenigsten sehen, dass der entscheidende Trainingsfortschritt oft mit einer gesunden Ernährung, Entspannung und vor allem um 21:00 Uhr im Bett beginnt – nicht auf der Bahn oder im Gym.
Ich erinnere mich noch gut an eine Zeit, in der ich regelmäßig bis spät in die Nacht vor dem Bildschirm saß, Games zockte und selten vor Mitternacht ins Bett kam. Schlaf war zweitrangig, Energie schien immer verfügbar. Doch mit zunehmendem Trainingsvolumen hat sich das grundlegend verändert.
Wer viel trainiert, merkt irgendwann: Der Körper fordert mehr als nur Bewegung – er verlangt Erholung, konsequent und regelmäßig. Nicht nur passiv, sondern aktiv. Plötzlich wird man müde, obwohl man genug geschlafen hat, gereizt ohne ersichtlichen Grund oder unkonzentriert im Training. Der Körper spricht – lange bevor er schreit.

Das eigentliche Training findet also nicht nur in den Einheiten statt, sondern auch in der Fähigkeit, auf diese feinen Signale zu hören. Denn wer erst reagiert, wenn es zu spät ist, zahlt schnell doppelt: mit Verletzungen, Müdigkeit oder verlorener Motivation. Ein gutes Körpergefühl ist kein Luxus – es ist Teil des Eintrittspreises, den man zahlen muss, wenn man diesen Sport langfristig machen will.
Regeneration beginnt nicht mit dem Ruhetag
Wer glaubt, dass Erholung nur im Kalender steht, hat das Spiel noch nicht verstanden.
Der Körper verhandelt nicht – er setzt Grenzen. Und je mehr man ihm abverlangt, desto deutlicher fordert er seinen Ausgleich. Früher habe ich die Warnsignale gelegentlich ignoriert, die Konsequenzen waren entsprechend hart. Heute weiß ich: Wer langfristig leistungsfähig sein will, muss lernen, rechtzeitig hinzuhören – nicht erst, wenn der Tank leer ist.
3. Geduld als härteste Währung
Echte Entwicklung braucht Zeit. Nicht Wochen, sondern Monate und Jahre. In einer Welt der Sofort-Ergebnisse fällt es schwer, sich mit kleinen Fortschritten zufriedenzugeben. Aber genau das ist der Preis: Lange Durchhaltephasen ohne sichtbaren Effekt – und trotzdem weitermachen.
Inspiriert von: James Clear – „Atomic Habits: An Easy & Proven Way to Build Good Habits & Break Bad Ones“
„Über das Fehlen von Erfolg zu klagen, obwohl man hart gearbeitet hat, ist wie sich über einen Eiswürfel zu beschweren, der nicht schmilzt, obwohl man ihn von -5 auf 0 Grad erhitzt hat. Deine Arbeit war nicht umsonst; sie wurde nur gespeichert. Der ganze Wandel passiert erst bei 0 Grad.“
4. Training ist kein Selbstdarstellungsraum
Gutes Training ist oft unspektakulär. Es findet ohne Publikum statt, ohne Kamera, ohne Push-Benachrichtigung. Manchmal ist die Einheit fertig, bevor du richtig wach bist. Und manchmal ist sie einfach nur solide – aber nicht „teilewürdig“.
Leistungsorientiertes Training ist kein Bühnenprogramm. Es ist Handwerk. Still, nüchtern und regelmäßig.
Heute Morgen stand ich um 5 Uhr auf dem Laufband im Keller, um meine wöchentliche Steigungseinheit zu machen – 3 x 10 Minuten bei 5–6 %. Der Raum war noch dunkel und schwül, und der Schweiß lief mir von der Stirn, während er den Boden rund um das Laufband benetzte. Das Ganze war weder besonders beeindruckend noch spektakulär, sondern einfach ein Teil des täglichen Trainingsprozesses. Es gehört dazu, um später im Tag die Zeit für die Familie freizumachen.
5. Leistungssteigerung ist nicht linear
Das wohl größte Missverständnis: Fortschritt verläuft gerade. In Wahrheit ist er zyklisch – mit Phasen des Stillstands, der Rückentwicklung, der Zweifel. Manchmal fühlt sich Training sogar kontraproduktiv an. Und genau dann zahlt man den echten Preis: Durchhalten ohne sichtbare Belohnung.
Aber wer das akzeptiert, schafft die Grundlage für langfristige Entwicklung.

Zwischen Februar und März hatte ich das Gefühl, mich im Kreis zu drehen. Meine Laufumfänge ließen sich stetig steigern, auch die Intervalle wurden länger, aber weder meine Geschwindigkeit noch meine Schwelle verbesserten sich spürbar. Das war frustrierend – aber auch ein ganz normaler Teil des Prozesses. Dann, mit dem Frühling, der das kalte, nasse Wetter verdrängte und die Temperaturen stiegen, passierte plötzlich etwas: Die Form zog nach. Das kontinuierliche Arbeiten im Hintergrund, ohne sofort sichtbaren Fortschritt, führte dazu, dass es irgendwann Klick machte und ich ein Plateau übersprang.
6. Der mentale Preis
Zweifel, Müdigkeit, Selbstgespräche um 6:30 Uhr – sie gehören zum Spiel. Kein Reel zeigt, wie du zehn Minuten brauchst, um aus der Tür zu kommen. Oder wie du nach einer Einheit dastehst, ohne zu wissen, ob du dich freuen oder hinterfragen sollst.
Der Eintritt in diesen Sport ist mental. Nicht einmal – sondern immer wieder neu.
7. Lernen passiert in den Tiefpunkten
Die besten Lektionen kommen nicht in den guten Wochen. Sondern wenn alles schiefläuft. Verletzung. Übertraining. Ein DNF. Ein verbocktes Rennen trotz monatelanger Vorbereitung.
Das sind die echten Lehrer. Nicht angenehm – aber wertvoll. Wer durchgeht, kommt verändert zurück.

Vor zwei Jahren stand ich nach einer langen Pause zum ersten Mal wieder bei einem Ironman am Start. Ich war gut vorbereitet, doch der Wettkampftag fügte mit Temperaturen über 35°C eine zusätzliche, unvorhergesehene Herausforderung hinzu. Trotz Wetterwarnungen und der Empfehlung, auf sportliche Aktivitäten im Freien zu verzichten, galt es, an diesem Tag Höchstleistungen zu erbringen.
Der Marathon verlief zunächst nach Plan, bis ich nach den ersten 21 Kilometern merkte, dass mein Körper die Reißleine gezogen hatte. Der Tank war leer, ich war völlig dehydriert, und mein Körper hatte die Schweißproduktion eingestellt. Der Rest des Marathons bestand hauptsächlich aus Wandern, unterbrochen von kurzen Laufabschnitten. Diese Erfahrung lehrte mich jedoch, dass man viel mehr leisten kann, wenn man mental nicht aufgibt. Auch wenn es hart wird, kann man sich durchbeißen.
Für zukünftige Wettkämpfe habe ich gelernt, dass es immer einen Plan B gibt – solange es keine medizinische Notlage ist. Es gibt immer eine Tür, die man noch aufstoßen kann, man muss nur den Mut haben, sie zu suchen und zu finden. Diese Erkenntnis half mir im folgenden Jahr bei der 70.3 in Rapperswil, als Wadenkrämpfe meinen Halbmarathon sabotierten, und auch bei der Challenge Roth, als ich beim Schwimmstart meine Uhr verlor und den Rest des Tages ohne Daten im Blindflug unterwegs war.
Fazit: Eintritt gezahlt – und wiederkommen
All diese Erfahrungen – und die Herausforderungen, die ich noch erleben werde – sind Teil des Prozesses. Doch der Preis, den man für diesen Weg zahlt, ist hoch. Man zahlt mit Zeit, Energie, Verzicht, Geduld und Demut. Aber was man dafür zurückbekommt, ist mehr als nur Leistung: Es ist Klarheit, Stabilität und Resilienz. Es ist nicht der schnellste Weg – aber der nachhaltigste. Nicht der lauteste – aber der ehrlichste. Und wenn man einmal auf diesem Weg ist, will man ihn nicht mehr eintauschen.
Ich möchte an dieser Stelle klarstellen: Ausdauersport kann jeder auf seinem eigenen Level betreiben. Es geht nicht um Elitedaten oder ästhetische Idealbilder – sondern um die Entscheidung, dranzubleiben, egal wo man beginnt. Man muss nur bereit sein, etwas über sich selbst und seinen Körper zu lernen, ehrlich mit sich zu sein und offen für Veränderung. Es geht nicht um Überlegenheit, sondern um Selbstentwicklung. Jeder Weg zählt.
Ausdauersport hat mir in den letzten Jahren nicht nur im Wettkampf viel beigebracht. Ich habe gelernt, Alternativen zu suchen, wenn etwas nicht funktioniert, mentale Stärke und Resilienz zu entwickeln, wenn Rückschläge kommen, und immer wieder Neues auszuprobieren – auch wenn es nicht immer sofort funktioniert. Diese Fähigkeiten helfen mir nicht nur im Sport, sondern auch im täglichen Leben, sowohl privat als auch beruflich.
Ausdauer ist mehr als ein Sport. Es ist eine Lebenseinstellung – eine Wahl, die jeder für sich treffen kann.
Ich würde diese Reise jederzeit wieder antreten und nichts anders machen. Die Rückschläge und Erfahrungen der letzten Jahre haben mich zu dem Sportler und Menschen gemacht, der ich heute bin. Genau diese Erfahrung möchte ich im Coaching an meine Athleten weitergeben, damit auch sie aus ihren eigenen Erfahrungen wachsen und ihre Ziele erreichen können.
Wenn du bereit bist, deinen eigenen Weg zu gehen, begleite ich dich gerne ein Stück – nicht mit Versprechungen, sondern mit Erfahrung, Klarheit und ehrlichem Coaching.
Coaching bedeutet für mich, diesen Weg mit jemandem zu teilen – ohne ihn zu glorifizieren, aber auch nicht zu vereinfachen. Jeder bringt seine eigene Geschichte mit. Ich begleite dich auf deinem Abschnitt, so weit du willst – ehrlich, klar und mit dem Respekt, dass es dein Weg ist.

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